Oberschule Ofenerdiek

                       ~ Schule am See ~

Andacht zum Erinnerungsgang 2019                     

Unser Auftrag: Eine Andacht mit der 9a und der 10b zum Erinnerungsgang gestalten... Wir gehen alle nicht regelmäßig in die Kirche. Wir 30 Schülerinnen und Schüler einer Oberschule und unsere Lehrerinnen Frau Vollmer und Frau Weustermann haben unterschiedliche Migrationshintergründe: Wir stammen aus Syrien, dem Irak, Russland, Spanien, der Türkei, Thailand und Kroatien. Unser Chor hatte erst zwei Auftritte. Und das Thema Pogromnacht ist 81 Jahre her…

Wie haben wir es trotzdem geschafft, dass letztendlich alle Gottesdienstbesucher berührt waren und wir sie sensibel auf den Erinnerungsgang einstimmen konnten?

Zunächst haben wir gemeinsam in Projekttagen unser Wissen zum Thema Judenverfolgung erweitert. Wir bekamen Besuch eines jüdischen Jugendlichen und haben unsere jüdische Gemeinde mit der Rabbinerin Frau Treiger in der Synagoge besucht.

Vor allem haben wir das Thema von der emotionalen Seite betrachtet, indem wir uns ein Mädchen namens Ruth Simon aus den zahlreichen Zeitzeugen aussucht haben und wir im Vorfeld alles über ihr Leben erfahren haben. Dann haben wir nachempfunden, wie sich die schrecklichen Ereignisse damals angefühlt haben müssen. Passend dazu haben uns dazu ein Szenisches Spiel ausgedacht.

Ruth wohnte damals in Cloppenburg und musste jeden Morgen mit dem Zug nach Oldenburg in die jüdische Schule fahren. Auf ihre alte Schule durfte sie nicht mehr gehen, weil sie ein jüdisches Mädchen war. Ruth muss an dem Morgen in Oldenburg sehen, wie ihr Schulhaus und ihre Synagoge abgebrannt worden waren. Auf dem Rückweg im Zug begegnete sie mehreren SA-Männern, die über ihre Taten der vergangenen Nacht prahlten.

Mit Hilfe des Szenischen Spiels wurden Ruths Gefühle deutlich. „Ich hab´ solche Angst!“ – „Bitte lass meine Familie zuhause gesund sein!“ - „Warum sind sie so zu uns Juden? Wir haben doch den gleichen Gott. Wir sind doch genauso Menschen!“ sprachen Michelle, Melda, Isabelle und Rayan ihre möglichen Gedanken aus. Weitere Mitwirkende in dem Spiel waren Paul, Milano, Sesar und Lara.

In den anschließenden Fürbitten beteten Aleyna, Niklas und Michelle für die Familien der Opfer des Nationalsozialismus, für Frieden und gegenseitigen Respekt in unserer Gesellschaft.

Gracia und Isabell sprachen gemeinsam mit der Gemeinde das Vater-Unser.

Zwischendurch sang der Chor die sehr passenden Lieder „Read all about it“ und „Komm vom Schatten ins Licht“ und Emely begleitete die Stücke am Klavier.

Frau Vollmer berichtete am Anfang ihrer Predigt vom weiteren Weg Ruths im fremden England und dem Auswandern nach Amerika. Nur sie und zwei ihrer Schwestern überlebten. Unbegreiflich erscheine heute die Frage, warum niemand den jüdischen Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunden geholfen habe als sie durch Oldenburgs Straßen getrieben wurden. Es scheine so lange her zu sein, was 1938 bei uns in Oldenburg mitten unter uns geschehen ist. Frau Vollmer stellt aber die erschreckende Aktualität der judenfeindlichen Ereignisse angesichts des Angriffs auf eine Synagoge in Halle fest. Auch auf politische Äußerungen und Entwicklungen geht sie in ihrer Predigt ein.

Vor allem aber stellen Nazdar und Hasnaa sehr eindrucksvoll und anklagend die Parallelen zu ihrer yezidischen Geschichte vor. Sie haben auch erlebt, dass ihre Väter, Onkel und Brüder abgeholt worden sind, von der IS ermordet wurden. Sie haben auch erlebt, dass Frauen und Mädchen aus ihren Dörfern verschleppt wurden. Auch ihre Dörfer wurden von Bomben zerstört. Auch sie mussten ihre Heimat verlassen und wurden aufgrund ihres Glaubens verfolgt. Auch sie kennen das Gefühl, in einem fremden Land zu sein und die fremde Sprache nicht zu verstehen.

Frau Vollmer nimmt in ihrer Predigt Bezug zu der christlichen Aussage „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du.“ Dieser Satz beschreibe den Kern des Ganzen. Alle Menschen seien gleich viel wert. Egal ob wir Jesiden, Muslime, Buddhisten, Juden oder Christen seien. In unserer Schule leben wir diese Vielfalt von Kultur und Religionen.

Hervorgehoben wird auch der angefangene Dialog mit der jüdischen Gemeinde. Der Besuch von Mosche mit seiner Pringels-Kippa in der Schule und die Offenheit und Warmherzigkeit und das Gesangstalent der Rabbinerin Frau Treiger würden noch lange in Erinnerung aller bleiben. Und dieses Kennenlernen sei der beste Weg, weiterhin aufeinander zuzugehen, offen und freundlich zu sein.

Am Ende der Andacht betonte Frau Vollmer, dass nichts und niemand vergessen sei. Mit dem Erinnerungsgang würden wir ein Zeichen gegen jede Form von Judenfeindlichkeit setzen.

An den Ausgängen verteilten wir Schülerinnen und Schüler an alle Andachtbesucher unsere Holzringe mit einem Faden, der symbolisch für den Faden der Erinnerung steht.

Vor der Predigt waren wir alle wahnsinnig aufgeregt und hinterher haben wir ganz viel Feedback bekommen, wie berührend und authentisch wir diese Andacht gestaltet hätten. Und so soll eine Andacht ja auch sein, damit alle einen Zugang zu so einem wichtigem Thema finden können. 


Warum Erinnern wichtig ist -  Nichts ist vergessen, niemand ist vergessen

Oberschule Ofenerdiek gestaltet den Erinnerungsgang 2019 anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht 

Wie kann man Schülerinnen und Schüler betroffen machen für ein Ereignis, das 81 Jahre zurückliegt? Das war die zentrale Frage bei der Planung des Erinnerungsganges, an dem sich die gesamte Schulgemeinschaft beteiligt hat.

Bereits vor den Sommerferien hat sich die Oberschule Ofenerdiek im Rahmen von Projekttagen mit den Themen Holocaust, Pogromnacht und mit der Geschichte des jüdischen Mädchens Ruth Simon aus Cloppenburg beschäftigt. Es gründeten sich für die Veranstaltung ein Schülerchor und eine Theater-AG, die auch weiterhin bestehen bleiben. Außerdem entstanden vielfältige Exponate, die in der Landesbibliothek ausgestellt wurden und beim Erinnerungsgang mitgetragen wurden: Zeichnungen zur Verdeutlichung der Geschichte der Familie von Ruth Simon, Aufstellschilder mit den Namen der 42 Teilnehmer des Deportationsganges, Silhouetten für die ermordeten und geflüchteten jüdischen Kinder, Banner und Symbolringe. Während der Ausstellungseröffnung in der Landesbibliothek hob der Schulleiter Christian Osterndorf hervor, dass erst seit 41 Jahren der Reichspogromnacht gedacht wird. Zudem würdigte er die Bereitschaft und das Engagement der gesamten Schule, sich dem Thema zu nähern. Besonderen Dank galt dem Hauptorganisator Klaus Erdmann und der SV-Lehrerin Margit Engel.

Faszinierend waren im Vorfeld der Besuch des jüdischen Jugendlichen Mosche, der seinen Bundesfreiwilligendienst in der Synagoge absolviert. Ebenso begeisterte der offene und warmherzige Austausch mit der Rabbinerin Alina Treiger in der Synagoge.

Die Einstimmung vor dem Erinnerungsgang fand im Rahmen einer Andacht in der Garnisonkirche statt. In einem kurzen szenischen Spiel wurde die Geschichte des Mädchen Ruth Simon dargestellt. In der anschließenden Predigt wies die Religionslehrerin Tanja Vollmer auf die erschreckende Aktualität hin. Beeindruckend stellten zwei Sprachlernschülerinnen Parallelen zu den Vorkommnissen in ihrer Heimat her. Reaktionen auf die Andacht zeigten, dass es der Schule gelungen war, sich dem Thema sehr authentisch und emotional zu nähern.

Hervorzuheben sind auch die gefühlvoll vorgetragenen Stücke des Chores unter der Leitung von Verena Weustermann und Katrin Eilers, der neben der Ausstellungseröffnung auch die Andacht und den Abschluss des Erinnerungsganges gestaltet hat. Mit Liedern wie „Donna Donna“, einem Lied, das die Situation der Juden in der Zeit des Dritten Reiches reflektiert und dem israelischen Volkslied „Hevenu Shalom Alechem“ wurde die Sehnsucht nach Frieden für die ganze Welt ausgedrückt und von vielen Anwesenden im Innenhof des Gefängnisses mitgesungen.

Bevor die Schulsprecher Linus Karkosch, Fenja Kriese und Sherin Gümüs die Öllampe an Vertreter der nächsten ausrichtenden Schule übergaben, appellierten sie: „ Es ist wichtig, dass wir uns aktiv mit der Geschichte auseinandersetzen, damit heute und morgen niemand wegen seiner religiöse Zugehörigkeit oder auch seiner Herkunft angegriffen und ausgegrenzt wird. Wir wollen eine friedliche Gesellschaft.“ Sie stellten klar, wie notwendig Erinnern auch nach 81 Jahren ist. 

Cornelia Fesser

Tanja Vollmer

 

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